„Unüberwindlich starker Held“ oder „Apostelin der Apostel“? – Kirchengeschichtliche Erwägungen zum Patrozinium der Filialkapelle in Kasbach (Pfarrei Ohlenberg)
Fragestellung:
Seit einigen Jahrzehnten herrscht in Kasbach, Filialort der Pfarrei St. Nikolaus Ohlenberg Uneinigkeit hinsichtlich des Patrons bzw. der Patronin der dortigen Kapelle. Der Verwaltungsrat hat sich an den Verfasser gewandt und ihn gebeten in einer kirchengeschichtlichen Untersuchung die Frage zu erörtern, ob der heilige Erzengel Michael Patron der Kapelle zu Kasbach sei oder doch die hl. Maria Magdalena. Zudem versucht der vorliegende Bericht zu klären, wie es zu der Vermutung kam, man habe mit dem Neubau der Kirche 1905/06 das Patrozinium gewechselt.
Untersuchung:
Die erste urkundliche Erwähnung des kleinen Ortes „Cazpach“ reicht zurück bis ins Jahr 876.1 Wenige Jahre später findet der Ort wiederum Erwähnung in einem Tauschvertrag der Abtei Prüm, die in Kasbach Besitzungen hatte, und entsprechend wird der Name im Prümer Urbar von 893 aufgeführt (Cazbahc“).2 Schon früh lässt sich eine Kapelle auf der Linzer Seite (Erzbistum Trier) in Kasbach nachweisen. Bereits 1923 berichtet der damalige Lehrstuhlinhaber für Kirchengeschichte am Trierer Priesterseminar und Experte der Pfarreien- und Bistumsgeschichte Jakob Marx über eine 1666 urkundlich nachgewiesene Kapelle zu Kasbach, die dem hl. Erzengel Michael geweiht gewesen war.3 Diesen Faden griff auch Ferdinand Pauly auf, der sich seit den 1960er Jahren intensiv mit der Erforschung der Patrozinien im Bistum Trier auseinandergesetzt hat und hierzu grundlegende Ergebnisse präsentierte. Er ermittelte, dass das Michaels-Patrozinium das Älteste dieses Filialortes sei.4 Interessanterweise dokumentiert er für das Jahr 1952 einen Patrozinienwechsel, der mittlerweile stattgefunden haben soll.5 Er nennt seine Bezugsquelle, auf die er sich bei seinen Ausführungen stützt, nämlich das „Handbuch des Bistums Trier“ des Jahres 1952.
In unregelmäßigen Abständen veröffentlichte das Bistum Trier seit 1828 solche Handbücher, in denen die Pfarreien und Seelsorger- sowie Bevölkerungszahlen (nach Konfession bzw. Religionsbekenntnis getrennt) aufgelistet sind. Im Laufe der Jahre veränderten sich die Detailfülle der dort publizierten Informationen. Das Handbuch von 1906, dem Jahr in dem der Neubau der heutigen Kapelle fertiggestellt und die Kirche eingeweiht worden war, erwähnt Kasbach mit keiner Zeile. Die Ausgabe von 1912 nennt auch kein Patrozinium, aber doch immerhin, dass in den Filialorten Ohlenbergs, Ockenfels und Kasbach, abwechselnd sonntags eine hl. Messe zusätzlich zum Gottesdienst in der Pfarrkirche gefeiert wurde. Die Nachfolgeausgabe (1927) orientiert sich exakt an der Angabe von 1912.
Erst die Ausgabe von 1938 gibt einen näheren Einblick in die Situation vor Ort: „Die Kapelle in Kasbach, 1692 durch eine Wasserflut überschwemmt, bald danach wieder errichtet und 1903 völlig neu gebaut.“6 An dieser Stelle muss man direkt anmerken, dass die Handbücher keineswegs fehlerfrei sind und eine Neuausgabe dringend erforderlich wäre. So findet der aufmerksame Leser direkt einen Fehler, denn die Kapelle wurde in den Jahren 1905/06 erbaut. Die Pfarrkirche in Ohlenberg wurde hingegen 1903 gebaut.
Weiter heißt es im Handbuch (1938): „Kasbach (s.t.s. Mariae Magdalenae) erb[aut] 1905 durch Archit[ekt] Kaufholt, Düsseldorf; benediz[iert] 1902; m SS [mit Allerheiligstem; FS]; mit Vesperbild um 1420; Orgel (12 Register); 3 Glocken (1923)“7. Ferner hielt man in Kasbach in den Schaltjahren am 29. Februar einen Tag des „Ewigen Gebets“ ab. Auch dieser Satz wimmelt bedauerlicherweise von Inkorrektheiten: Die Kapelle wurde 1905 gesegnet, der Architekt heißt August Kaufhold und aus dem hl. Michael wurde offenbar die hl. Maria Magdalena gemacht. Oder wurde das Patrozinium doch gewechselt? Das 1952 erschienene „Handbuch des Bistums Trier“ zitiert wörtlich den Inhalt von 1938, mit einer Ausnahme: aus der Orgel wurde ein „Harmon[ium]“.8 Auf eben diese Angaben im Handbuch von 1952 rekurrierte bereits Ferdinand Pauly. Das Handbuch von 1960 erwähnt Kasbach wiederum nicht, 1991 wird nur das Magdalenenpatronat genannt.
Bevor im Nachfolgenden Überlegungen angestellt werden, ob ein Wechsel des Kirchenpatrons 1905 stattgefunden haben könnte, so muss man sich zunächst einmal vor Augen führen, ob es im Trierischen Land überhaupt Maria-Magdalena-Patrozinien gab und aus welchen Jahren diese Kirchen stammten. Im Mittelalter war die Verehrung der Heiligen, deren Grab vermutlich in Frankreich steht, keine Seltenheit. In der Neuzeit nahm hingegen ihre Verehrung ab, wie die nachfolgende Übersicht aller Kirchen im Bistum Trier, die der hl. Maria Magdalena geweiht sind, zeigt9:
Peterslahr
Neubau der Pfarrkirche 1903-05, aber Vorgängerbau bereits dasselbe Patronat
Brotdorf
Um- und Erweiterungsbau 1932, aber alte Kirche bereits dasselbe Patronat
Horhausen
Neubau 1902, aber romanischer Turm der alten Magdalenenkirche noch vorhanden
Weiler
(bei Bingen)
Neubau 1865/66, aber Vorgängerbau bereits dasselbe Patronat
Wollmerath
Erbaut 1732
Senheim-Senhals
Kapelle zu Ehren der hl. Maria Magdalena und der hl. Cosmas und Damian, im Kern vermutlich 13. Jahrhundert, bezeichnet 1598
Hinzenburg
Kapelle der Pfarrei Schöndorf (St. Andreas), erbaut 1772
Bullay
Erweiterungsbau, ursprünglich schon Magdalenen-Patrozinium
Petershäuser Hof
Neubau der Pfarrkirche 1903-05, Vorgängerkirche bereits Magdalenen-Patrozinium
Gebhardshain
Erste Kirche (13. Jahrhundert) schon Maria Magdalena gewidmet, der Neubau von 1860/62 ebenfalls
Küttig
Filiale der Pfarrei Münstermaifeld, erbaut 15. Jahrhundert
Arzfeld
Erbaut 15./16. Jahrhundert
Winterscheid
Filiale der Pfarrei Bleialf, erbaut 1612
Densborn
Mittelalterlicher Kirchbau
Hünerbach
Filialkapelle der Pfarrei Kelberg, erbaut und Maria Magdalena geweiht 1688, Neubau 1925/26 ebenfalls
Lüxem
Mittelalterliche Magdalenenkirche urkundlich erwähnt
Um 1900 lassen sich noch 16 Pfarr-oder Filialkirchen im Bistum Trier ausfindig machen, die das Magdalenenpatronat tragen. Zum Vergleich: 1569/71 waren es insgesamt 21 Pfarrkichen, elf Filialkapellen und vier Altäre bzw. Benefizien, die unter dem Patronat Maria Magdalenas standen.10
Ab dem Beginn des 19. Jahrhunderts lassen sich im Bistum Trier keine Kirchen ausfindig machen, die das Magdalenen-Patrozinium neu verliehen bekamen. Alle anderen Kirchen haben einen abgerissenen Vorgängerbau im gleichen Ort, der bereits unter dem Patronat der hl. Maria Magdalena stand. Mancherorts wurden die Kirchen auch nur umgebaut oder erweitert.
Diese Entwicklung überrascht kaum, bedenkt man doch, dass die barocke Frömmigkeit durch die „katholische Aufklärung“ abgelöst wurde, seitens der Trierer Bistumsleitung also weniger die Heiligenverehrung als vielmehr eine christozentrische, schlichte Frömmigkeit propagiert wurde.11 Innerhalb der Communio Sanctorum, der Gemeinschaft der Heiligen, nahm die Gottesmutter einen herausragenden Platz ein, zumindest fokussierte man ihre Devotion. Ausdruck einer besonders stark ausgeprägten Marienverehrung sind die beiden Mariendogmen der „Unbefleckten Empfängnis“ (1854) und der „Aufnahme Mariens in den Himmel mit Leib und Seele“ (1950), die zugleich den Zeitrahmen des sog. „Marianischen Jahrhunderts“ markieren, in das auch die Marienerscheinungen von Lourdes (1858) und Fatima (1917) fielen.
Breiten Raum in der Frömmigkeitspraxis zwischen der Aufklärung und dem Ende des Ersten Weltkriegs (1918) nahm die Schutzengelverehrung ein. Zeugnis davon gibt die Andachtsliteratur des 16. bis 18. Jahrhunderts, wo man in quasi jedem Andachtsbuch ein Abendgebet zum Schutzengel findet, oder man hängte, wie es mitunter üblich war, in Kinderzimmern ein Bild von einem Schutzengel (meist im Nazarenerstil gemalt) auf.12 Damit wollte man sich die ständige Bedrohung und Verletzlichkeit des Lebens vergegenwärtigen und rief daher die Engel als Bewahrer in allen Gefahren an –im Kampf gegen die leiblichen, wie auch die seelischen Versuchungen und Anfeindungen des Bösen. Im 19. Jahrhundert ist jedoch ein Funktionsverlust der Schutzengel feststellbar, weil der strenge Richtergott – insbesondere durch die stark rezipierten Unterhaltungsblätter, die erstmals massenhaft auf dem Markt einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden – abgelöst wurde durch einen Barmherzigkeit gewährenden Vater mit seiner liebenden Vorsehung.
Der Erzengel Michael bildete im himmlischen Chor der Engel hingegen eine Ausnahme, da gerade seine Verehrung durch die kriegerischen Auseinandersetzungen in Europa zunahm. „Dazu trat seit dem deutsch-französischen Krieg 1870/71, forciert aber im Ersten Weltkrieg der Michaelskult. Der Erzengel Michael erhielt zwischen Siegestaumel und Massensterben einen militanten Zug und gewann als Retter des Gottesvolkes, Schutzengel der Nation und Gerichtsengel über die Feinde, nicht zuletzt aber in seiner überkommenen Betrachtung als Seelenbegleiter der Sterbenden erheblich an Aufmerksamkeit […]“13. Die Entwicklung der Frömmigkeits- und Patroziniengeschichte spricht somit dafür, dass es sich in den Handbüchern des Bistums Trier lediglich um einen Fehler handelt, der aber schwerwiegende Folgen für die nachfolgenden Jahrzehnte haben sollte.
Doch es gibt noch weitere Gründe, die zu der Annahme führen, das Patrozinium in Kasbach habe sich nicht geändert. Der schwerwiegendste Grund ist das Faktum, dass es kein einziges Dokument aus der Erbauungszeit der Kapelle gibt, das ein Magdalenenpatronat auch nur erwähnt. Zudem ist kein Schriftwechsel mit der bischöflichen Behörde in Trier oder der päpstlichen Kurie in Rom erhalten (und ein solcher wäre mit Sicherheit in Trier und dem Pfarrarchiv tradiert worden), der einen beantragten Wechsel des Patroziniums dokumentiert. Gerade Änderungen des Patroziniums (auch beim Neubau der Kirche, oder wenn Inventarstücke oder Teile der alten Kirche übernommen werden) sind kirchenrechtlich hochsensible Akte, für die man eine Genehmigung aus Rom benötigt. Wenigstens ein Schriftstück hierüber wäre irgendwo abgeheftet. Dies ist aber nicht der Fall, obwohl der gesamte Schriftwechsel mit dem Architekten, dem bischöflichen Generalvikariat in Trier14, den Handwerkern sowie die Baupläne fein säuberlich in zwei Mappen im Pfarrarchiv Ohlenberg abgelegt sind.
Hingegen ist ein Zeitungsausschnitt aus der Rhein-Zeitung erhalten, in dem die Leser über die Weihe der neuen Kapelle informiert werden. Dort ist von der hl. Maria Magdalena keine Rede, lediglich der Patron des neuen Gotteshauses, der hl. Erzengel Michael, findet eine Erwähnung. In einem Schreiben von 1912 wird sogar angedacht, dass man den Erzengel auf den Turm der Kirche malen könnte. Der Plan kam niemals zur Ausfertigung. Ein öffentliches Anbringen einer Figur oder einer Zeichnung des Erzengels Michael ist keine Garantie dafür, dass es sich somit um den Patron des Ortes handeln musste. Man hat oftmals die Erzengel Michael oder Georg an den Außenwänden des Gotteshauses oder eines anderen öffentlichen Gebäudes angebracht, um die Menschen unter ihren Schutz zu stellen und seine Verehrung zu fördern. Ähnlich hat man häufig an den Westseiten der Kirchenwände im Innern den hl. Christophorus angebracht.
Das Äußere der Kirche ist aber nicht der einzige Hinweis auf den Erzengel. Die Einrichtungsgegenstände der Kapelle lassen nur einen Schluss zu, denn es gibt nicht nur eine um 1750 gefertigte Figur des Erzengels, die an einer herausgehobenen Position im Hauptschiff aufgestellt ist, sondern auch die Monstranz, die in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts gefertigt wurde, weist auf den Erzengel hin.15 An ihr befinden sich mehrere Medaillons, die gemeinsam mit der Monstranz gefertigt sein dürften.16 Einer dieser Anhänger zeigt den Erzengel Michael und gibt dem Betrachter Aufschluss darüber, dass es eine Erzengel-Michael-Bruderschaft in Kasbach gab. Solche Bruderschaften bildeten sich gegen Ende des Mittelalters und waren bzw. sind ein körperschaftlich verfasster Verein, zu dessen Zielen die Mehrung der Werke der Nächstenliebe und die der amtlichen Gottesdienste (besondere Andachten, Prozessionen, Wallfahrten, Messen etc.) gehören. Gerade das Abhalten zusätzlicher Gottesdienste unterscheiden die Bruderschaften von den übrigen kirchlichen Vereinen, die vor allem ein Produkt der Neuzeit sind.17 Die Gründung einer Bruderschaft bedurfte, wie das Kirchenrecht seit dem 17. Jahrhundert allmählich formuliert, der oberhirtlichen Genehmigung18; im Falle Kasbachs war dies der Erzbischof von Trier. Geht man davon aus, dass die Bruderschaft noch beim Kirchenneubau 1905/06 bestanden habe, so müsste man mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass das Patrozinium nicht geändert wurde.
Zuletzt kann ein Blick auf das Siegel des Kapellenvorstands zu Kasbach noch einen Hinweis liefern: Man sieht, wie die Abbildung aus dem Pfarrarchiv zeigt, hier nur den Erzengel Michael. Dieser Stempel zumindest bis 1906 benutzt, was ebenfalls für das Erzengelpatronat spricht. In den Folgejahren gibt es kein Dokument, das mit diesem oder einem anderen Siegel versehen ist. Wahrscheinlich wurde das Siegel nach der Dekanatsreform 1923 erneuert, da Kasbach fortan zum neu gegründeten Dekanat Linz gehörte. Der Stempel, der in den 1930er Jahren erstmals genutzt wurde, zeigt in der Mitte ein „P-X-Monogramm“ und in umlaufender Schrift „Siegel des Kapellenvorstands Kasbach“. Ein Hinweis auf das Patronat fehlt wiederum.
Diese Argumente sprechen alle dafür, dass der Erzengel Michael auch der Patron der heutigen Kapelle geblieben ist. Doch welche Gründe gab es in Kasbach, zum Schluss zu gelangen, man habe im Ort eine der hl. Maria Magdalena geweihte Kapelle?
Die einzige Darstellung Maria Magdalenas findet man – zumindest aus der Sicht eines Kirchenbesuchers bis 1969 – im Hochaltar. Dort ist im linken Altarretabel die Szene aus Lk 7,36-50 dargestellt, in der eine Frau Jesus die Füße wäscht. Papst Gregor der Große hat in einer Predigt 591 Maria Magdalena mit dieser anonymen Sünderin identifiziert und damit den Grundstein für eine katholische Auslegungstradition gelegt. Fortan erhielt Maria Magdalena den Beinamen „Sünderin“, „Büßerin“ oder „Prostituierte“. Noch in der ersten Auflage des Kirchenlexikons „Wetzer und Welte“ (1851) heißt es ausdrücklich, Maria Magdalena sei sowohl die Sünderin aus Lk 7, der „sieben Dämonen ausgetrieben worden seien“, als auch die Schwester Martas, die im Johannesevangelium erwähnt wird und die Maria, die den Auferstandenen im Johannesevangelium sieht.19
In der zweiten Auflage des genannten Lexikons (1893) liest man dann die auf den ersten Blick schlüssige These, die Schwester Martas sei auf Abwege gekommen und habe der Sünde gedient (Prostitution) und sieben Dämonen seien aus ihr nach der Begegnung mit Jesus ausgefahren. Fortan sei sie eine Büßerin, die Jesus schließlich die Füße gewaschen/gesalbt habe.20 Alle anderen Auslegungen wurden indiziert und waren somit durch die katholische Zensur verboten. Erst im liturgischen Kalender der katholischen Kirche des Jahres 1969 heißt es, Maria von Magdala sei weder die Schwester Martas noch die Frau, die Jesus die Füße wusch. 2016 erhob Papst Franziskus den Gedenktag der „Apostelin der Apostel“ in den Rang eines Festes.
Zudem kann man die These ausschließen, man habe in Kasbach mit dem Wechsel des Patroziniums die Frauenemanzipation unterstützen wollen, denn diese gelangte erst einige Jahrzehnte nach der Kirchweihe in den Fokus der Öffentlichkeit.
Die Annahme des Magdalenenpatroziniums werfen also mehrere unlösbare Fragen auf: 1. Warum sollte eine Frau, die in der Auslegungstradtion, die um die Wende zum 20. Jahrhundert als „Sünderin“ und „Prostituierte“ angesehen wurde, den damals „im Trend“ liegenden Erzengel Michael ablösen? 2. Warum sollte man in Kasbach mit einer etwa 350 Jahre alten Tradition brechen? 3. Warum befindet sich im Kircheninneren keine figürliche Darstellung außer dem Altarbild, die aber, wenn man den neusten Erkenntnissen der Bibelexegese folgt, gar nicht Maria Magdalena darstellt? Selbst wenn man 1906 annahm, Magdalena sei mit dieser Frau gleichzusetzen, warum dann die deutlich höhere Gewichtung der Darstellung des Erzengels?
Untersuchungsergebnis:
Nach dem Einsehen aller vorhandenen Archivbestände im Pfarrarchiv Ohlenberg, dem Bistumsarchiv Trier und dem Landeshauptarchiv Koblenz sowie dem Auswerten der Sekundärliteratur kommt man nach Abwägen der vorgetragenen Argumente zu dem Ergebnis, dass die Kapelle zu Kasbach, Pfarrei Ohlenberg (St. Nikolaus), zweifelsohne dem heiligen Erzengel Michael geweiht sein muss. Es gibt aus wissenschaftlicher Sicht keinen Grund der zur Annahme der These führt, die hl. Maria Magdalena sei die Patronin der Kapelle zu Kasbach.
Sicherlich dürfte der Fehler, der sich im „Handbuch des Bistums Trier“ 1938 eingeschlichen hat, und der bis in die Ausgabe von 1991 übernommen wurde, ausschlaggebend dafür gewesen sein, dass man in Kasbach im Laufe der Jahrzehnte zur Auffassung gelangte, im Ort stünde eine Maria-Magdalena-Kapelle, denn die Handbücher wurden jedem Pfarramt zugeschickt und hatten unter Umständen eine große öffentliche Wirkung. Dies scheint im Fall der Ohlenberger Filiale Kasbach der Fall gewesen zu sein.
Dieser Irrtum ist schnellstmöglich zu beheben. Deshalb wird das vorliegende Gutachten nicht nur dem Pfarrer und den Räten der Pfarrei Ohlenberg gegeben, sondern ein Exemplar erhält die Kanzlei der Kurie in Trier, damit fortan das korrekte Patrozinium wieder verwendet wird.
Trier, am Fest des hl. Erzengels Michael 2019
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(Dr. Frederik Simon)